Zum "kollektiven"  Leben in der Gruppe gehörte selbstverständlich auch ein geregelter Tages- bzw. Wochenablauf. 

6.00 Uhr Wecken
Liebevolles Wecken hätte anders ausgesehen... So wurden in den Schlafräumen die Türen aufgerissen und Licht angemacht. Es blieb eine halbe Stunde Zeit zum Anziehen und Betten machen, bis wir frisch gekämmt und gewaschen am Frühstückstisch saßen. Lobend erwähnt wurde, wer den Kleineren beim "Bettenbau" half.

6.30 Uhr Morgenkreis
10 Minuten Weltgeschehen und politische Meinungsbildung - Gut gerüstet mit dem Aktuellsten vom Tage durfte dann auch endlich gefrühstückt werden.

6.40 Uhr Frühstück
Jeweils zu viert am Tisch und mit insgesamt 32 Kindern und Jugendlichen, auf zwei Gruppen verteilt, war die Atmosphäre im Speisesaal am frühen Morgen nicht wirklich familiär.

7.00 Uhr Weg zur Schule
Wer vergessen hatte, seinen Schulranzen zu packen, kam dann schon arg ins schwitzen... Aber so etwas gab es ja gar nicht, wurde doch darauf geachtet, dass der schon in der "Stunde des Lernens" gepackt wurde. Zähneputzen oben, Jacken und Schuhe unten im Keller anziehen und nicht vergessen, die Hausschuhe wieder ordentlich ins Regal zu packen. Nur das Personal benutze den Haupteingang des Gebäudes. Für alle anderen hieß es immer hinten ums Haus herum. Für den vorgeschriebenen Schulweg wurden 15 Minuten eingeplant, so dass alle Heimkinder pünktlich an der Schultür standen, wenn 7.15 Uhr der Hausmeister den Schlüssel im Schloss umdrehte.

7.30 Uhr Schule
Wer bis zur 6.Stunde Unterricht hatte, hatte sich danach auf direkten vorgeschriebenen Weg ins Heim zu begeben, wobei der vorgeschriebene  nicht gleich dem direkten Weg war. Einen Abstecher in die Markthalle, die auf dem direkten Weg lag, hätte dazu führen können, dass ungesunde Lebensmittel oder andere Konsumartikel wie Zigaretten oder Alkohol in den Schultaschen gelandet wären. 
Wer länger Unterricht hatte, nahm automatisch an der Schülerspeisung teil und hatte sich dann entsprechend später auf vorgeschriebenen direktem Weg ins Heim zu begeben. Den Erziehern waren von allen Schülern die Stundenpläne bekannt. Und so bemühten sich dann alle, 15 Minuten nach Schulschluss im Heim zu sein. Nur gut, dass hin und wieder mal eine Schulstunde ausfiel. Dann waren wir so etwas wie normale Schüler und verbrachten unsere wenige Freizeit mit den Schulfreunden, die nicht im Heim wohnten.

"Nach Schulende" oder "So ging es am Tag weiter:"

Erste Amtshandlung nach Eintreffen im Heim war der Kleiderwechsel von Schulkleidung zur Freizeitkleidung. Jeden Donnerstag gab es bei den Frauen in der "Nähstube" einen Komplettwechsel der Bekleidung, einmal Schulkleidung, einmal Freizeitkleidung und Nachtwäsche. Krönung dessen waren für die Mädchen Schürzen, damit man sich die Alltagskleidung, denn so hieß die Freizeitkleidung, nicht beschmutze. Schließlich gab es von jeder Sorte Kleidung nur einmal pro Woche.

14.30 Uhr Erledigung der Hausaufgaben
Nach Kleidungswechsel und Mittagessen ging es zur sogenannten "Stunde des Lernens", die eigentlich mehr als eine Stunde betrug und weniger dem Lernen an sich diente, sondern der Erledigung der Hausaufgaben, des Schulranzenpackens oder des Aufräumens des im Gruppenraum befindlichen "Eigentumsfach" (Jedes Kind hatte ein Fach in einem Schrank für Schulbücher und kleineren Sachen wie z.B. Briefpapier).
Aber auch, wer keine Schulaufgaben auf hatte, kam mit Beschäftigung nicht zu kurz, denn der konnte ja, um sein eigenes Wissen zu festigen und zu erweitern, einem anderen Mitschüler helfen oder am Forschungsauftrag des Jahres arbeiten. Oder aber er konnte so tun, als würde er schwer beschäftigt sein und so in Ruhe mit seinem Tischgenossen eine Runde Schiffe versenken spielen oder einen Brief schreiben, der ohne vorherige Kontrolle aus dem Heim "geschmuggelt" wurde.

16.30 Uhr Kaffeepause
Kaffee gab's zwar nicht, dafür eine wohlverdiente Verschnaufpause und Stärkung für das was da noch so kommen sollte.

17.00 Uhr Freizeit oder was man damals so nannte
Sinnvolle Freizeitbeschäftigung war erklärtes Bildungsziel. Manche glänzten durch Teilnahme an sportlichen Arbeitsgemeinschaften im schulischen Bereich, bei der Mitarbeit im Chor oder der Theatergruppe. Aber auch Aktivitäten im Kreiskinderfilmclub oder der Kulturgruppe des Heimes waren möglich. Wer dann noch freie Kapazitäten hatte, konnte und durfte sich als Gestalter der Gruppenwandzeitung oder im Pionier- und FDJ-Aktiv des Heimes austoben. Und es gab sogar Kinder oder Jugendliche, die mehrere "Hobbys" davon haben konnten.... oder mussten? Freunde außerhalb des Heimes hatten dagegen keine Chance. Und wer braucht schon Freunde, wenn er so viele "Hobbys" hat?

18.00 Uhr Abendessen
Essen wie in der Familie - der Speiseraum füllt sich wieder!

18.30 Uhr Ämtererledigung
Haushaltspflichten müssen sein. So hatte jedes Kind seine Wochenaufgabe zu erfüllen, sei es Waschraum oder Toilette sauber machen oder beim Küchendienst Teller, Tassen und Besteck aller 32 Kinder zu reinigen.
Außerdem Treff im Keller zum gemeinsamen Schuhe putzen.

19.00 Uhr Waschen und Vorbereitung auf Schlafen
Körperhygiene in geschlechterspezifischen Gruppen - Alle Mädchen einer Gruppe, ebenso die Jungen gingen sich gemeinsam in einem Waschraum reinigen, Duschen nur Donnerstags. Privatsphäre gab es nur beim Gang auf die Toilette, denn dort war man mal allein.

19.30 Uhr Nachtruhe für die Kleinsten Klasse 1-4
20.00 Uhr Nachtruhe für alle zwischen Klasse 5-8
21.00 Uhr Nachtruhe für Klasse 9
21.30 Uhr Nachtruhe für Klasse 10 und Lehrlinge
Nachtruhe hieß Schlafen und damit tatsächlich alle schliefen, saß immer ein Wachhund in Form eines Erziehers an der offenen Tür. Wie sonst kontrolliert man einen Schlafraum mit 5 und mehr Kindern?